Die 5 häufigsten psychischen Probleme im Kindesalter

Psychische Probleme im Kindesalter sind kein Tabuthema mehr. Immer mehr Eltern erleben, dass ihr Kind in bestimmten Entwicklungsphasen mit emotionalen oder verhaltensbezogenen Herausforderungen zu kämpfen hat. Das kann verunsichern, ängstigen oder sogar Schuldgefühle hervorrufen. Dabei zeigt die Forschung ganz klar: Mit früher Erkennung, einer einbezogenen Familie und einer angemessenen Begleitung bestehen sehr gute Chancen auf Stabilisierung und gesunde Entwicklung. In diesem Artikel stellen wir Ihnen die fünf häufigsten psychischen Probleme im Kindesalter vor, ordnen sie fachlich ein und geben alltagsnahe, praktische Tipps, wie Sie als Eltern Ihrem Kind hilfreich zur Seite stehen können.
Emotionale Störungen
Angststörungen und depressive Symptome sind bereits im Vorschulalter keine Seltenheit. Kinder äußern diese Gefühle oft anders als Erwachsene: Sie klagen über Bauchschmerzen, wollen nicht in die Kita oder Schule gehen oder ziehen sich zurück. Aktuelle Studien zeigen, dass etwa 10–15 % der Kinder von solchen Symptomen betroffen sind. Eltern erleben oft eine Ohnmacht, wenn das eigene Kind sich ängstlich oder dauerhaft traurig zeigt.
Wichtig zu wissen: Frühe Zuwendung, empathisches Verstehen und altersgerechte Gespräche sind zentrale Schutzfaktoren. Auch ein strukturierter Alltag und feste Rituale können Sicherheit geben und helfen, emotionale Regulation zu fördern. Bei depressiven Symptomen ist es entscheidend, die Signale des Kindes ernst zu nehmen, ohne sie zu dramatisieren. Der Zugang über gemeinsame Aktivitäten, Bewegung an der frischen Luft oder kreative Ausdrucksformen wie Malen oder Musik kann helfen, wieder positive Emotionen zu erleben. In vielen Fällen lassen sich durch begleitende Gespräche mit einer Kinder- und Jugendpsychiaterin oder -psychologen zusätzliche Orientierung und Erleichterung schaffen.
Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
ADHS ist eines der am häufigsten diagnostizierten psychischen Störungsbilder im Kindesalter. Typisch sind eine ausgeprägte Unaufmerksamkeit, Impulsivität und motorische Unruhe. Eltern erleben den Alltag oft als Dauerstress: Hausaufgaben dauern Stunden, Konflikte häufen sich.
Die gute Nachricht: Bei früher Diagnose und individueller Förderung (z. B. durch Verhaltenstherapie oder schulische Anpassungen) zeigen viele Kinder deutliche Verbesserungen. Eltern sind hier wichtige Ko-Therapeuten, die mit Geduld, klarer Kommunikation und viel Verständnis den entscheidenden Unterschied machen können.
Eine enge Zusammenarbeit mit Lehrkräften ist oft ebenso hilfreich wie der Einsatz von Belohnungssystemen und visuellen Zeitplänen. Medikamentöse Unterstützung – z. B. mit Methylphenidat – kann in Einzelfällen sinnvoll sein, sollte aber immer individuell abgewogen und begleitet werden. Auch Bewegung, sportliche Aktivitäten und ausreichend Schlaf sind wichtige Bestandteile der Stabilisierung.
Störungen des Sozialverhaltens
Kinder mit oppositionellem oder aggressivem Verhalten wirken auf ihre Umwelt oft fordernd und schwer steuerbar. Dabei verbergen sich hinter der Fassade häufig tiefer liegende emotionale Nöte oder Frustrationen.
Eltern erleben oft Kritik von außen oder geraten selbst in eine Spirale aus Strafen und Eskalationen. Fachlich ist klar: Konsequente, aber liebevolle Erziehung mit klaren Grenzen und verstärkendem Lob ist effektiver als Strafe.
Hilfreich können hierbei auch Elterntrainingsprogramme wie bspw. Triple P sein, die wissenschaftlich gut evaluiert sein sollten und für den Alltag konkrete Handlungsstrategien vermitteln können.
Kinder mit herausforderndem Verhalten profitieren häufig von einer engen Tagesstruktur, überschaubaren Anforderungen und positiven Beziehungserfahrungen. Wichtig ist auch, nicht nur das Verhalten, sondern das dahinterliegende Bedürfnis zu erkennen und anzusprechen.
Tic-Störungen und Zwangserkrankungen
Tics (wie Augenblinzeln, Grimassieren oder Räuspern) treten oft im Alter zwischen 5 und 10 Jahren auf und sind in vielen Fällen vorübergehend.
Bei Zwangserkrankungen stehen hingegen sich wiederholende Gedanken oder Handlungen im Vordergrund, die vom Kind als belastend erlebt werden.
Beide Störungsbilder können Eltern stark verunsichern. Die beruhigende Erkenntnis: Viele Tic-Störungen verschwinden wieder von allein. Bei stärkeren Symptomen helfen verhaltenstherapeutische Ansätze sehr gut – etwa das Habit-Reversal-Training oder die Exposition mit Reaktionsverhinderung bei Zwangsstörungen.
Entscheidend ist, Druck aus dem System zu nehmen, Symptome nicht überzubewerten und liebevolle Akzeptanz mit gezielter Unterstützung zu kombinieren. Auch der Austausch mit anderen betroffenen Familien kann entlastend wirken.
Bindungsstörungen
Bindungsstörungen entstehen oft früh, etwa durch frühe Trennungen, Vernachlässigung oder Traumata. Betroffene Kinder zeigen oft ambivalentes oder vermeidendes Verhalten gegenüber engen Bezugspersonen. Im Alltag zeigt sich dies durch extremes Klammern, Kontaktvermeidung oder auffällige Distanzlosigkeit.
Für Eltern ist es hilfreich zu wissen: Bindung ist entwicklungsfähig! Mit Geduld, liebevoller Präsenz und feinfühligem Eingehen können neue positive Beziehungserfahrungen entstehen, die das Verhalten nachhaltig verändern. Besonders wichtig ist es, sich als verlässlicher „sicherer Hafen“ zu etablieren und auch in schwierigen Situationen in Beziehung zu bleiben. Unterstützend wirken bindungsorientierte Therapieansätze oder Eltern-Kind-Interaktionen unter therapeutischer Begleitung.
10 Alltagstipps für Eltern
- Stärken Sie die Beziehung: Kinder brauchen keine perfekten Eltern, sondern eine sichere, liebevolle Bindung.
- Sprechen Sie offen über Gefühle: Geben Sie Gefühlen Worte – das hilft Kindern, sich selbst besser zu verstehen.
- Sorgen Sie für Struktur: Ein klarer Tagesablauf mit Routinen gibt Sicherheit und Orientierung.
- Nutzen Sie positive Verstärkung: Lob und Anerkennung fördern wünschenswertes Verhalten effektiver als Strafen.
- Bleiben Sie ruhig und konsequent: Kinder brauchen klare Regeln – ruhig umgesetzt wirken sie am besten.
- Pflegen Sie Selbstfürsorge: Nur wer gut für sich selbst sorgt, kann dauerhaft stabil für andere da sein.
- Holen Sie sich Unterstützung: Erziehungsberatung, Familienhilfe oder Selbsthilfegruppen können entlasten.
- Achten Sie auf frühe Signale: Je früher Probleme erkannt werden, desto besser sind die Entwicklungschancen.
- Arbeiten Sie mit Fachkräften zusammen: Therapie ist Teamarbeit – Eltern sind ein zentraler Teil dieses Teams.
- Bewahren Sie Zuversicht: Die meisten psychischen Probleme im Kindesalter sind gut behandelbar.
Fazit
Psychische Herausforderungen im Kindesalter sind kein Schicksal. Sie sind Ausdruck von Entwicklung – und ein Anlass, genau hinzusehen und zu begleiten. Eltern müssen diese Wege nicht allein gehen. Mit fachlicher Unterstützung, einem liebevollen Zuhause und dem Mut zur Offenheit kann sich auch aus schwierigen Phasen eine gesunde Entwicklung entfalten. Lassen Sie sich ermutigen: Jedes Kind hat das Potenzial, seelisch zu wachsen – und jedes Elternteil die Fähigkeit, dazu beizutragen.